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Geteilte Zuversicht

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Geteilte Zuversicht, Reinsberg, 2011
Geteilte Zuversicht, Reinsberg, 2011
Geteilte Zuversicht, Reinsberg, 2011
Geteilte Zuversicht, Reinsberg, 2011
Reinsberg, Aug 2011 – Okt 2011

Information

2011 fand in Reinsberg zum vierten Mal ein ortsbezogenes Kunstprojekt statt. Von Iris Andraschek und Hubert Lobnig wurden sechs KünstlerInnen bzw. KünstlerInnenteams eingeladen, die auf unterschiedliche Weise auf örtliche Gegebenheiten reagierten. Das Dorf Reinsberg mit seinen BewohnerInnen, seiner Geschichte und seinen Geschichten, seinen Festen, Institutionen, Organisationsformen, der Landwirtschaft, den Betrieben, dem Kindergarten, der Schule, dem Strandbad, der freiwilligen Feuerwehr, den Vereinen, der Kulturproduktion auf der Burgruine, der Produktion und Vermarktung von Bioprodukten stand zur Disposition. Die KünstlerInnen hatten spezifische Arbeitsschwerpunkte und waren gezielt für Reinsberg ausgewählt worden. Das Projekt hatte seine Basis im ehemaligen Kaufhaus Gruber im Ortskern von Reinsberg und präsentierte ab dem 27. August Interventionen im öffentlichen Raum. "Geteilte Zuversicht" ist ein mehrdeutiger Titel und bezieht sich auf ein spezielles Gefühl von Gegenwartswahrnehmung und Zukunftserwartung, auf den weitverbreiteten Zweifel und die große Skepsis gegenüber einer sich stets verändernden Welt. Der Titel fragt aber auch, ob Zuversicht teilbar ist. Reinsberg hat sich seit den frühen 90er-Jahren in Sachen Aufbau und Durchführung von Kulturprojekten engagiert und die Auf- und Umwertung des Dorfes immer wieder durch die Erfindung neuer Images (Eisenstraße, Ötscherland, Kulturdorf) vorangetrieben. Trotzdem formierte sich in den letzten Jahren eine Bürgerliste, die Reinsberg auf den Status eines "normalen Dorfes" zurückführen will.

Mitwirkende

Kuration

Beiträge

Michael Zinganel, Michael Hieslmair

"Never Walk Alone"

Hieslmair und Zinganel bezogen sich auf Gemeinschaften und Gemeinschafts-güter in Reinsberg, konkret auf den örtlichen Fußballverein "Hobby-Club Reinsberg", dessen kleines, aber sehr beliebtes Areal mit Fußballplatz sowie auf die vielen beweglichen Güter, die sich im Besitz der verschiedenen Reinsberger Vereine befinden. Die Arbeit bestand aus zwei Gaben: Der "künstlerisch überhöhte" Wanderpokal ist mit 1,60 Meter Höhe viel zu groß, um in einem Regal oder in einem Wohnzimmer Platz zu finden. Bis zum nächsten Rottenturnier im Frühjahr 2012 stand er auf dem Flachdach des Reinsberger Hobbyclub-Vereins-häuschens – um dann von der jeweils siegenden Rotte zur nächsten zu wandern. Das fahrbare Tribünensegment samt Fußballfan-Utensilien und einer Lautsprecheranlage wurde auf dem Sportplatz geparkt, konnte zu Auswärtsspielen mitgenommen oder aber auch an andere Vereine verliehen werden. 

Anna Fabricius

"Techné"

Anna Fabricius aus Budapest arbeitet seit Jahren mit unterschiedlichen Gruppen, Vereinen und Gemeinschaften. Mit einfachen fotografischen Inszenierungen versucht sie, die Gruppen aus der normalen Wahrnehmung zu lösen. In den letzten Serien hat sich ihre Arbeit mehr und mehr von einem semidokumentarischen Blick zu einem spielerischen Umgang mit Inszenierung entwickelt. Sie stellte für "Geteilte Zuversicht" eine Serie von Fotografien von Arbeitsgemeinschaften in Reinsberg her, in denen die Gruppen sich selbst an ihrem Arbeitsplatz inszenierten, und stellte diese auf unterschiedlichen vorhandenen Displays an mehreren Orten im Dorf aus.

Hubert Lobnig, Iris Andraschek

"Was soll ich tun?"

Iris Andraschek und Hubert Lobnig entwickelten eine Schnapsbar der Dorfethik unter dem Kant’schen Leitsatz "Was soll ich tun?". Als Bestandteil des Dorffestes "Reinsberger Nächte" wurde im Zentrum des Dorfes ein begehbarer Kubus aufgestellt. Die Außenwände dienten als Präsentationsfläche für die Ergebnisse einer Umfrage, bei der die Regeln des sozialen Lebens abgefragt wurden und die als Ausgangspunkt für Diskussionen über Handlungsanweisungen, die das Leben eines Dorfes bestimmen, dienen sollte. Welche vorgegebenen Regeln befolgen die BewohnerInnen einer Gemeinde? Welche stellen sie selbst auf in einer Zeit, in der Kirche und Staat ständig an Einfluss verlieren? Der Innenraum birgt die konstruktivistische Schnapsbar, an der während des Festes klare Brände aus Reinsberg ausgeschenkt wurden (reiner Geist). Nach Beendigung der "Reinsberger Nächte" löste sich der Kubus aus der Festarchitektur.

Matthias Klos

"Geschichten erzählen sich selbst, und Motive haben kein Benehmen"

Eingeladen zu einem Kunstprojekt im öffentlichen Raum, konstatierte der Künstler Matthias Klos die Schwierigkeit, als Außenstehender ortsbezogen zu arbeiten. Für den Ort Reinsberg schuf Matthias Klos eine kurze Erzählung über das Wirken und die Verschränkung von Alltag, Geschichten und Kulissen, deren von ihm erahnte sichtbare Vorder- und Rückseiten er fotografisch festhielt. Text und Fotografien fügte er in einer Kleinpublikation zusammen, die an alle Haushalte der Gemeinde verteilt wurde. Eine poetische Schenkung des Künstlers im Vertrauen darauf, über Flüchtigkeit und Weitergabe Konsistenz und Verdichtung zu erzeugen. Der Inhalt der Broschüre war im Schaufenster des ehemaligen Kaufhauses Gruber zu sehen.

kozek hörlonski

"LGBQT"

"I wanna die in Reinsberg" ("Ich möchte in Reinsberg sterben"), sang Oliver Hangl in seinem künstlerischen Beitrag für das Kulturdorf Reinsberg. kozek hörlonski wiederum stellten diesen Wunsch an den Beginn ihrer Recherchen und entwickelten eine Installation, die sich mit Tod und Untergang, aber auch mit Unsichtbarkeiten auseinandersetzte. Eine Skulptur verwies auf ein Grabmal eine Kultstätte oder einen Kohlenmeiler. Grab- und Kultstätten sind die ältesten Zeugnisse menschlicher Kultur und Zivilisation überhaupt, ihre Botschaften können aber auch brandaktuell sein. Die Installation stand eigenständig im öffentlichen Raum und wurde zweimal mittels einer Performance bespielt. Die Arbeit beleuchtete Verdrängung und Tabuisierung gewisser gesellschaftlicher Aspekte im dörflichen Zusammenleben.

Antje Schiffers, Thomas Sprenger

"Ich bin gerne Bauer und möchte es auch gerne bleiben"

Seit einigen Jahren bieten Antje Schiffers und Thomas Sprenger Landwirten ein Tauschgeschäft an: ein Gemälde von ihrem Hof gegen einen Film, in dem sie, die Landwirte, ihren Betrieb und ihr Leben mit diesem Betrieb zeigen. Sie waren in Niederösterreich und der Steiermark, in Holland und Wales, England und Rumänien, in der Schweiz, Deutschland und Mazedonien. Etwa eine Woche braucht Antje Schiffers für so ein Bild, und das ist die Zeit, die den Landwirten für ihre Selbstdarstellung und Thomas Sprenger für das gemeinsame Editieren zur Verfügung steht. Inzwischen verfügen sie über ein Archiv mit über 20 Filmen über die europäische Landwirtschaft. In Reinsberg waren 18 dieser Filme zu sehen.

Johanna Tinzl, Stefan Flunger

"Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück"

Für „Geteilte Zuversicht“ in Reinsberg schlugen Tinzl und Flunger eine Intervention am Kirchturm vor. Sie regten an, an der Nordseite des Turms, an der die Uhr fehlt, eine Leiter zu installieren, die durch einen Mechanismus betrieben zu einem eigenen (auf die profane Funktion der Uhr auf dem Kirchturm hinweisenden) Zeitanzeiger werden sollte. Jede Viertelstunde bewegte sich die Leiter drei Stufen nach oben, zur vollen Stunde gleitete sie zurück zum Ausgangspunkt. "Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück" berührt Themenkreise des globalen Zusammenspiels von Religion, Politik und Macht, die auch regional mit der Geschichte des Dorfes Reinsberg verbunden sind. Wegen der Unmöglichkeit einer Intervention an der Kirche lösten die KünstlerInnen das kinetische Objekt symbolisch vom Kirchturm und platzierten es in gleicher Höhe weithin sichtbar auf einem Hügel.

Bilder (4)

Geteilte Zuversicht, Reinsberg, 2011
Geteilte Zuversicht, Reinsberg, 2011
Geteilte Zuversicht, Reinsberg, 2011
Geteilte Zuversicht, Reinsberg, 2011