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Tatiana Lecomte :
Ich bin gesund, es geht mir gut

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St. Pölten-Viehofen, 2010

Information

Das Mahnmal trägt den Titel "Postkarten können wir eine pro Person schreiben". 20.000 BewohnerInnen von St. Pölten wurden persönlich adressierte Ansichtskarten zugesandt. Die Vorderseite der Karten zeigt aktuelle fotografische Ansichten von Orten im Stadtteil Viehofen, die einst Schauplätze nationalsozialistischer Ausbeutung und Vernichtung waren. Auf der Rückseite der Karten steht der von Hand geschriebene Satz: "Ich bin gesund, es geht mir gut".

Die Erinnerung, die dich heimsucht.
20.000 BewohnerInnen von St. Pölten werden im Laufe eines Jahres eine Ansichtskarte in ihrem Postkasten finden, handgeschrieben und an sie persönlich adressiert. Bei den fotografischen Ansichten von vordergründig unscheinbaren Motiven handelt es sich um jene Orte im St. Pöltner Stadtteil Viehofen, die im Zweiten Weltkrieg Schauplätze nationalsozialistischer Ausbeutung und Vernichtung waren: das in den Sechzigerjahren einem Schotterteich gewichene Lager für ungarisch-jüdische ZwangsarbeiterInnen, das südlich davon gelegene Zwangsarbeiterlager der Glanzstoffwerke und das Massengrab auf dem städtischen Friedhof St. Pölten. Die Fotografien zeigen jedoch nicht das historische Gedächtnis dieser Orte, sondern ihr erfolgreiches Verdrängen und Vergessen. Mit blauer Tinte ist auf jede Karte von Hand der Satz geschrieben: Ich bin gesund, es geht mir gut – jene Floskel, die auf keiner Postsendung aus den Lagern des Dritten Reichs fehlen durfte. Die persönlich Adressierten stehen in Kontrast zum namenlos bleibenden Absender, der Einzelne erhält gleichsam ein Mahnschreiben von der Unzahl jener, die diesen heuchlerischen Satz in ihre Briefe setzen mussten.
Ausgehend von der bildspeichernden Gedächtnisfunktion der Fotografie hat Tatiana Lecomte ein Mahnmal fernab von tradierten Formen der Denkmalkultur entwickelt. Sie konstruiert eine fiktive Kommunikationsebene zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem und zerreißt den Schleier von historischer Distanz und fehlender Zeitzeugenschaft in der Absicht, Gespräche und Diskussionen anzuregen. Das Mahnmal wird buchstäblich zur Erinnerung, die dich heimsucht.
(Verena Gamper)